Walter Stürm ist in der Schweiz ein Mythos: Für manche war er der große Ausbrecherkönig der 1980er- und 1990er-Jahre ein irrwitziger Robin Hood oder Mini-Che-Guevara, für andere einfach ein gefährlicher Soziopath. Die Faszination seiner Figur liegt in seinem radikalen Freiheitsdrang, der nicht nur ihn und die Gesellschaft, sondern letztlich auch seine langjährige Anwältin Barbara Hug prägte. Deshalb haben wir den Erzählfokus unseres Films auf die unkonventionelle Beziehungsgeschichte zwischen Walter Stürm und Barbara Hug gelegt. Sie, eine Juristin aus der linken Szene im Zürich der 1980er-Jahre, will Stürms Popularität für ihr Ziel nutzen, den Strafvollzug in der Schweiz zu reformieren. Doch je weniger Walter Stürm sich ihrer Logik beugt, desto mehr verfällt sie der Faszination seines kategorischen Freiheitswillens. Er wird der Felsen, an dessen Widerstand sie wachsen muss. Stürm ist das Rätsel, dessen Lösung für sie zur Lebensaufgabe wird.
Als ich die Biographie und Kriminalgeschichte von Walter Stürm gelesen hatte, ging mir das ungewöhnlich und überraschend nahe. Wie Walter Stürm war auch ich in meiner Jugend mit dem Wunsch nach Respekt und Zuneigung meines dominanten Vaters beschäftigt. Und auch ich habe für die erwünschte Aufmerksamkeit unorthodoxe Wege beschritten, die oft nicht ganz ungefährlich waren. Weder Walter Stürm noch Barbara Hug haben sich je wirklich von den Wunden ihrer Kindheit lösen können. Beide sind Gefangene ihrer eigenen Dämonen, die ihnen ihre Zwanghaftigkeit auferlegen: Stürm die manische Kriminalität, Hug die aggressive Arbeitswut. Ein Spannungsfeld zwischen Freiheit und Gefangenschaft, Geben und Nehmen.
Barbara Hug lebt, seit sie denken kann, in einem Körper, den sie als Feind empfindet. Momente innerer Ruhe findet sie nur im Kampf gegen Widerstände. Und zwar so sehr, dass sie den Kampf zum Selbstzweck werden lässt – je mehr sie an ihre eigenen Grenzen stößt, desto mehr übernimmt sie den Kampf für andere, scheinbar altruistisch. Hug kämpft für die Freiheit aller, während sich Stürm rücksichtslos seine eigene Freiheit nimmt. Das Schlimmste für ihn ist das Gefühl der Unfreiheit, nicht Herr seiner eigenen Handlungen zu sein, in etwas hineingezwungen zu sein, das er nicht leisten kann.
Freiheit, davon bin ich überzeugt, ist viel komplexer, als sie etwa in diesen Tagen debattiert wird. Sie ist sowohl äußerlich (gesellschaftlich und politisch) wie auch innerlich (psychologisch, philosophisch, spirituell) erfahrbar. Gerade aber die persönliche, innere Freiheit bedingt jedoch viel Mut und Kraft, denn sie kann einen auch von gesellschaftlichen Normen weit wegtreiben. ‚Freiheit kann man nicht schenken’ sagt Stürm in einem Moment im Film und bringt somit das Meta-Thema der Geschichte auf den Punkt. Es ist letztendlich die Aufforderung zur gesunden Selbstliebe und zur kollektiv sinnvollen Selbstbefreiung, die ich mit diesem Film transportieren will.
Mein Ziel war es, ein für das Publikum zugängliches Liebesdrama mit der ganzen Bandbreite an Emotionen zu realisieren; umgesetzt in einer Ästhetik, die sich Konventionen ebenso rebellisch entgegenstellt, wie dies Stürm und Hug getan haben.